Ein Ring, sie zu knechten…

Ein Ring, sie zu knechten…

Hello World. This is Superbini speaking 🙂

Ich habe ja in meinem 29jährigen Leben schon echt viel ausprobiert. Ich habe in ganz jungen Jahren unter der Aufsicht meines Papas Nägel in die Balken unseres elternhäuslichen Dachgeschosses geklopft, mit meinem Opa gehandwerkt, später war ich erfolgreicher im Werk- als im Handarbeitsunterricht, was mir dann wiederum viel später sehr hilfreich war, als es darum ging, die eigene Immobilie zu renovieren. Ihr glaubt gar nicht, wie spannend es sein kann, in einer Baustelle zu hausen und Toilettenschüsseln und andere potentiell eklige Reste beherbende Keramiken eigenhändig (mit Handschuhen bewehrt) auszutauschen.

Soviel dazu… Die Volkshochschule der Stadt, in der ich meistens lebe, bietet neben anderen interessanten Lehrgängen u.a. auch “Goldschmieden” an. Der geneigte Leser ahnt schon, was Sache ist… Und richtig – nachdem ich mich in den letzten beiden Jahre zweimal angemeldet und ebenso zweimal wieder abgemeldet hatte (es geht halt nix über tolle und zuverlässige Reiseplanung einer auch ansonsten eher minderfähigen Projektleitung…), war es nun endlich soweit – während am 11.11. in der ganzen Welt die Narren die Herrschaft über vorstehend genannte übernahmen, fand ich mich mit 8 anderen Damen und Herren im Gebäude der Volkshochschule im malerischen Hamburger Schanzenviertel (im folgenden von mir der Einfachheit halber “Bronx” genannt) ein und harrte gespannt der Dinge, die uns da erwarten würden.

Der Schwerpunkt des Wochenendes war “Ringe” – wie auch der Kurstitel klar aussagte:

Die Kursleiterin Susanne ist gelernte Goldschmiedin mit über 25 Jahren Berufserfahrung und einer unterschütterlichen Geduld. Unabdingbar, wenn man mit so einem inhomogenen Haufen mit unterschiedlichsten Vorbildungen und -stellungen konfrontiert ist. Jeder von uns suchte sich erst mal einen Arbeitsplatz am grossen Tisch. Ein Goldschmiedearbeitsplatz ist für Schreibtischtäter erst mal sonderbar ausgestattet – statt eines gemütlichen Bürostuhls sitzt man nämlich auf einem Drehhocker. In den Tisch selbst ist eine Nische eingelassen, die mit einer Art Lappen unterspannt ist und in deren Mitte ein  kleiner Holzklotz reinragt, den man sich, sollte man wider Erwarten einnicken, unbarmherzig ins Brustbein bohrt, bevor man mit dem Kopf in die Bunsenbrennerflamme einschlägt, die den Arbeitsplatz vervollständigt. Wir bekamen eine Kiste mit einer Werkzeuggrundausstattung, jede Menge Zangen, Feilen, Pinzetten (es ist nicht empfehlenswert, ein ausgeglühtes Stück Silber mit den Fingern zu fassen und ins Wasserbad zu befördern).

Ich hatte einen Stein mitgebracht, ein Tigerauge, das ich von meiner Omi mal als Glücksbringer geschenkt bekommen hatte. Den trug ich bisher immer in der Motorradjacke mit mir rum, immer halb in Panik, dass er mal verlustig gehen würde.

Der Plan war, den in ein Schmuckstück zu fassen. Der Plan hatte Lücken…

Auch wenn ich in der Aquaristik nie zuerst mit Goldfischen, sondern gleich mit Garnelen angefangen hatte, war heute erst mal Goldfisch angesagt. Sprich, als Anfangsübung stand auf dem Plan, überhaupt erst mal ein Ringlein zu klöppeln und auf dieses dann etwas Zierrat aufzubringen. Die Kursleiterin hatte eine kleine Auswahl an schmucken Steinen zur Hand, und nach einigem Überlegen fiel meine Wahl auf diesen hier:

Es ist ein Sonnenstein. Aber nicht nur ein einfacher Sonnenstein. Nein, es ist ein zweifarbiger Sonnenstein. Die Mutter aller Sonnensteine sozusagen. Als ob er auf mich gewartet hätte, lag er da, klein und rund und zweifarbig und raunte mir zu “nimm’ mich!!!” (Ok, das tut Schokolade im Allgemeinen auch, oder Pinguinlampen bei TK Maxx, aber die kann man schlecht in einen Silberring integrieren).

Der Sonnenstein hat übrigens auch magische Kräfte (Ok, das hat Fernet Branca angeblich auch…). In einschlägigen esoterischen Weblogs findet man Aussagen wie diese hier:

Der Sonnenstein schützt vor Schlafstörungen und hilft bei Erschöpfungszuständen, die durch Schlafmangel entstehen. (Super!!!) Hilft bei Durchblutungsstörungen, bewahrt vor Schlaganfall, Embolien und Verstopfungen der Blutgefäße. Wirkt heilsam bei Bronchialerkrankungen und Asthma. Hilft bei Gelenk- und Knochenerkrankungen. (Klasse – man wird ja nicht jünger) Auch bei Stoffwechselstörungen ist der Sonnenstein sehr geschätzt. Besonders gut hilft er bei Gicht. Überdies hilft er bei starken Zahn- und Kopfschmerzen.”

Ausserdem macht er aus mir eine unangreifbare Superheldin:

“Der Sonnenstein bringt Licht und verstärkt die Herzenswärme. Er lindert Melancholie und Depressionen und stärkt Menschen, die ihre Lebensfreude verloren haben und sich sogar mit Suizidgedanken tragen. Der Sonnenstein verhilft zu mehr Selbstbeherrschung und Verantwortung. Er fördert Bewusstheit und Flexibilität, stärkt die heilerischen Fähigkeiten und verhilft zu mehr Inspiration, Mut, Kreativität, Tatkraft, Sexualität und Fröhlichkeit.”

Und Strom sparen kann ich damit in Zukunft auch!!

“Der Sonnenstein hüllt Dich in einen Mantel aus schützendem Licht.”

Das Dekoelement stand also fest, nun galt es, die Basis zu schaffen. Es ist alles ganz einfach. Im Prinzip. Wenn man weiss, wie es geht….

Von einer kleinen Platte Silber sägt man mit Hilfe einer Art Laubsäge mit einem (für das menschliche Auge fast nicht sichtbar und daher auch nur schwer korrekt in die Säge einspannbaren) Sägefaden einen Streifen ab. Der wird dann an beiden Kanten mit einer Feile begradigt (die Nägel feilt man sich dabei auch netterweise gleich kurz und spart den Gang zur Maniküre), auf die passende Länge gestutzt (die Faustformel ist Ringgrösse plus 4 multipliziert mit zweimal der Plattenstärke), an beiden Enden angephast und dann einmal mit der Gasflamme ausgeglüht. Bevor das mühselig gesägte Teil aufgrund zu grosser Hitze zu einer Silberkugel zerfliesst (mit der man dann wenigstens noch Werwölfe jagen könnte), fischt man es mit einer Pinzette hoch und tunkt es zum Abkühlen in ein Glas mit Wasser. Das Erhitzen dient der Auflockerung der Metallgitterstruktur im SIlber, das durch das vorherige Plattwalzen extrem verdichtet wurde und in dieser Form nicht biegbar wäre. Da wir unseren Rohling aber mit einem Hämmerchen über einen metallischen Rundstab in Form klopfen wollten, wäre das kontraproduktiv gewesen.  Nach dem ersten Schritt sieht das dann so aus:

Toll. DAS soll mal einen Ring geben? Mir taten jetzt schon die Finger weh. Egal. Keine Müdigkeit vorschützen, weiter.

Und weiter…

Glow, Baby, glow!!

Und schliesslich – nach einer Runde in der Biegezange und einem kleinen Bad in einer Säurelösung – kommt das Zwischenergebnis einem Ring schon recht nahe:

Der Spalt in der Mitte wird mit Silberhartlot verschlossen. Dazu pinselt man eine grüne Flüssigkeit, ein Fliessmittel, auf die Kanten auf und geht einmal mit dem Brenner drüber. Das wird dann in der Hitze einmal fluffig und fällt dann zusammen. Man benutzt das Zeugs, um eventuelle Reste von irgendwas vom Silber zu bekommen und eine gute Basis für das Lot zu bekommen. Lot wird in kleinen Plättchen geliefert, man schneidet sich ein winziges Stückchen davon ab und legt dann diese sogenannte Paille auf den Spalt im Ring. Das Lot ist mit einem Zusatz versehenes SIlber, das bei geringerer Temperatur schmilzt als Silber selbst. Wäre ja sonst auch blöd (s.o. – Werwolfstötekugeln). Wenn an es richtig macht, fliesst das Lot schön sauber weg und verschliesst damit dann den Spalt:

Nun kommt mal wieder die Feile zum Einsatz, denn die unschönen Böbbeles müssen vom Ring runter, bevor man weitermachen kann. Man feilt die oberste Schicht des Ringes erst mit einer Feile, dann kommt Schleifpapier zum Einsatz. Um eine gescheite Rundung zu erreichen, streift man den Rohling über ein langgestrecktes, konisches Metallteil und klopft es mit einem Gummihammer in Form:

Die Ränder müssen auch noch entgratet werden und die Innenseite poliert. Wenn dann das Stück schön glänzt und die Fingernägel ab sind, hat man alles richtig gemacht. Es muss alles feinstrumpfhosenglatt sein:

Weil so ein Steinchen nun aber leider nicht aufgrund kosmischer Kräfte von alleine auf einer blankpolierten Ringschiene haftet, braucht es ein Bettchen aus Silber mit einem Rand drumherum. Hätte ich geahnt, was auf mich zukommt.. Aber seht selbst…

Wieder ist es ein Streifen Silberblech – dünner als das Material, aus dem der Ring gefertigt wurde, aber auch hier muss man sägen, feilen, glühen, biegen – das volle Programm…

Am Ende der Übung soll der Silberstreif nicht am Horizont erscheinen, sondern um den Stein rumpassen:

Man sägt dann noch mal ein STückchen ab, verlötet die beiden offenen Enden, poliert, feilt, beizt – und bekommt dann das bei raus

Aber auch das hält noch nicht auf dem Ring. Klettpads wurden nicht als gangbare Alternative bewertet, also muss noch ein Boden für die Fassung dran. Ihr ahnt schon was kommt – ich sag’ nur Silberblech. Löten.

Aussägen. Beizen. Feilen..

Nicht die Fassung verlieren ist oberstes Gebot!!! Wenn sich zwei zum ersten Mal gegenüberstehen, kann daraus mit etwas Bindedraht was ganz tolles werden…

Das Ergebnis ohne Draht fand ich farblich auch ganz interessant:

Hat ein bisschen Ähnlichkeit mit Bb-8 😉 – aber es sollte ja nicht Star Wars, sondern ein Sonnenring, sie zu knechten, werden…

Da die Fassung für den Stein noch etwas zu hohe Ränder hatte (er sollte ja nicht wie eine Folienkartoffel darin eingepackt werden. sondern lediglich wie ein Macaron Füsschen bekommen, die ihn vor dem Rausfallen schützen), musste ich noch mal mit der Säge ran… Sprich, ca 2 mm absägen von einem Ring, dessen Schiene 1 cm in der Breite und 17 mm im Durchmesser hat. Nur, damit ihr mal eine Vorstellung habe, was für feinmotorische Fähigkeiten hier gefragt waren!!!

Ich stelle fest, ich habe ganz schön knittrige Finger. Memo an mich selbst – mehr Zeit für Handpflege aufwenden.

Auch hier wurde wieder gefeilt und poliert. Feilen und polieren ist voll wichtig. Ich weiss gar nicht, was ich den Rest der Woche tun soll… Ich weiss nun, wie sich das Tier aus der Muppetshow fühlt, wenn man ihm die Trommelstöcke wegnimmt. Ein Leben ohne Feile und Schleifpapier ist denkbar….

Zum Schluss wird der Ring in einen Schraubstock befestigt und mit Hilfe eines kleinen klebrigen Stiftes der Stein in die Fassung eingesetzt. Die Ränder der Fassung werden mit einem kleinen Hämmerchen und einem Punzierwerkzeug vorsichtig beigeklopft, sodass sie sich um den Stein rumschmiegen. Das konnte ich leider nicht dokumentieren, weil ich mit einem Finger den Stein fixieren musste. Manchmal wäre es echt praktisch, ein Oktopus zu sein… Man sollte auch aufpassen, dass man nicht aus Versehen mit dem Werkzeug auf den Stein draufklopft. Die meisten Steine nehmen das extrem krumm und sprengen sich selbst in die Luft. Das ist hier zum Glück nicht passiert…

Um das Thema “Sonnenstein” noch mal aufzugreifen, habe ich mit einem kleinen Metallstempel auf die Ringschiene noch kleine Sonne eigeklöppelt.

Tadaaaa… SuperBini proudly presents ihren ersten, mit wenig Blut, viel Schweiss, aber keinen Tränen gefertigten Ring:

 

Alles in allem ein sehr schönes Wochenende, nicht unanstrengend, hochinteressant. Und ich werde in Zukunft, wenn ich auf dem Johannismarkt in Mainz oder auf dem Museumsuferfest mein Geld krisenfest in Silberschmuck anlege, das ganze aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachten.

 

 

 

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